Anna Christina Schütz | Magdalena, Hell und Dunkel

Abb. 1: Maria Katharina Prestel: La Bocca della Verità, Aquatinta, ca. 1776-1780, Plattenmaß: 33,9 x 24 cm, Kunstpalast, Sammlung der Kunstakademie Düsseldorf (NRW), KA (FP) 17597 D

Die Autorin Magdalena Bushart wurde in den Beiträgen dieses spannenden Publikationsprojektes bereits umfassend gewürdigt. Da ich Magdalena in dem von Daniela Bohde ins Leben gerufenen Forschungsnetzwerk zu Zeichnungen in Hell und Dunkel auf farbig grundierten Papieren kennenlernen durfte,¹ möchte ich sie hier nicht als Schreibende, sondern als Vortragende und Gesprächspartnerin skizzieren. Denn das Besondere bei den Treffen des Helldunkel-Projekts war für mich immer die inspirierende Gesprächsatmosphäre: Kunsthistoriker:innen und Kunsttechnolog:innen aus dem Museum und der Hochschule widmen sich unvoreingenommen dem Medium der Helldunkelzeichnung, geben sich gegenseitig Denkanstöße und entwickeln im offenen Gespräch ihre Beobachtungen gemeinsam weiter. Von 2016 bis 2019 habe ich das Projekt als wissenschaftliche Mitarbeiterin Daniela Bohdes am Kunsthistorischen Institut der Universität Stuttgart koordiniert. Mein eigener Forschungsschwerpunkt lag zu Beginn vor allem im 18. Jahrhundert; in der Gruppe konnte ich jedoch von den Expert:innen für die Zeit um 1500 unfassbar viel lernen: Im Falle Magdalenas vor allem über den Zusammenhang von Zeichnung und Druckgrafik und das „Modell Altdorfer“.

Bei unserem Workshop in Berlin beispielsweise nahm sie Werkstattprozesse in den Blick und stellte uns die beiden Simson-Blätter vor, die einmal einen Papierbogen gebildet haben und bei denen die eine Zeichnung als eigenhändige Arbeit Altdorfers, die andere als Werkstattreplik gilt.² Da es sich um keine exakte Kopie handelt, wie sie beim Abpausen zustande kommen würde, fragten wir uns, wie der Zeichner vorgegangen sein könnte. Ging es darum, die „Handschrift“ des Meisters zu erlernen? Setzte hier ein Werkstattmitarbeiter die „Marke Altdorfer“ ins Bild – oder könnten nicht vielleicht doch beide Blätter von Altdorfers Hand stammen? Die Frage nach den Werkstattzusammenhängen beschäftigte uns auch bei unserem Treffen in der Albertina in Wien, wo Magdalena uns Helldunkelzeichnungen näherbrachte, die dem Umkreis Altdorfers zugeordnet werden. Eine als Werkstattarbeit geltende Anbetung der Könige gibt es auf unterschiedlich farbig grundierten Blättern sowohl in Karlsruhe als auch in Berlin.³ Magdalena stellte die Zuschreibungsfrage zurück und rückte stattdessen Fragen nach dem Zusammenhang dieser Zeichnungen mit der Druckgrafik in den Blick. Offenbar wurden in Altdorfers Werkstatt die unterschiedlichen Wirkungsweisen und Effekte des jeweiligen Gestaltungsmittels ausprobiert und die Grenzen des Materials reflektiert. Das hatte sich auch bei unserem Treffen in Berlin gezeigt. Bei der Betrachtung von Altdorfers Hl. Georg schlug Magdalena den Begriff „Lichtsaum“ vor, um die Wirkung der Schraffur zu beschreiben, bei der die Binnenlinien kurz vor der Kontur aufhört; ein Phänomen, das man bei Mantegna und seinem Umkreis in der Druckgrafik findet und das Altdorfer im Medium der Zeichnung erprobte.

Seit 2020 bin ich am Kunstpalast in Düsseldorf für die Grafik bis 1800 verantwortlich. Im Bestand der Sammlung gibt es keine Helldunkelzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert, dafür jedoch eine ganze Reihe Helldunkelholzschnitte. Unter anderem eine aus der Hand Maria Katharina Prestels stammende Reproduktion von Altdorfers Helldunkelzeichnung der listigen Kaiserin und ihres Liebhabers vor einer löwenartigen Bocca della Verità. Mit diesem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Blatt schließt sich für mich ein Kreis – und mit einer Abbildung des Blattes aus der Düsseldorfer Sammlung möchte ich Magdalena von ganzem Herzen zu ihrem Jubiläum gratulieren!

Bildnachweis

Kunstpalast – LVR-ZMB – Annette Hiller

Empfohlene Zitation / Suggested citation: Anna Christina Schütz, Magdalena, Hell und Dunkel, in: Dialoge. Magdalena Bushart zum 65. Geburtstag, hrsg. Henrike Haug, Andreas Huth, Veronica Biermann, Oktober 2023, https://dialogemb.hypotheses.org/2454 [Abrufdatum / Date of Access].

1. https://www.srcts.uni-stuttgart.de/forschung/forschungsnetzwerk-hell-dunkel/ [zuletzt aufgerufen 8.5.2023] [↩]
2. https://id.smb.museum/object/1039856/simson-bezwingt-den-l%C3%B6wen und https://id.smb.museum/object/1039856/simson-bezwingt-den-l%C3%B6wen [zuletzt aufgerufen 8.5.2023] [↩]
3. https://sammlungenonline.albertina.at/?query=search=/record/objectnumbersearch=[30959]&showtype=record [zuletzt aufgerufen 8.5.2023] [↩]